Rückflug nach Deutschland

Liebe Leserinnen und Leser,

 

ich möchte mich ganz herzlich bei euch bedanken. Danke, dass ihr mich in den letzten Wochen noch einmal durch das Lesen der Blogbeiträge begleitet habt. Nun wird der Blog wohl wieder zur Ruhe kommen... Doch wer weiß? Vielleicht verschlägt es mich ja bald wieder in die große weite Welt und irgendwann erscheinen wieder neue Beiträge, ob aus Palästina oder aus einem anderen Land dieser Welt.

 

Bevor ich mich aber ganz von euch verabschiede, möchte ich noch eine letzte Geschichte mit euch teilen:

Am 10. Dezember wachte ich morgens früh auf, um mich von Lorenz und Feli zu verabschieden. Die beiden verließen schon zeitig das Haus, um in den Kindergarten bzw. die Schule zu fahren. Leander kam an diesem Tag leider nicht mit, denn er war über Nacht krank geworden. Gut für mich, denn so konnte ich noch ein bisschen mehr Zeit mit ihm verbringen. Ich verabschiedete mich also von den beiden und Feli wünschte mir einen guten Flug (Überrascht schauten sich ihre Eltern an: Ja, inzwischen war ihre älteste Tochter schon daran gewöhnt, den Besuchern einen guten Rückflug zu wünschen. Nur eine Kleinigkeit, die das Leben im Ausland so mit sich bringt).

Nachdem ich nochmal ein bisschen mit Leander und Vincent gespielt hatte, holte mich Khaled für eine letzte Runde mit ihm im Taxi ab. Gemeinsam kauften wir ein bisschen Reiseproviant in der besten Bäckerei in Beit Jala und danach lud er mich noch spontan zu einem zweiten Frühstück zu sich nach Hause ein. Schlussendlich saß ich nochmal über anderthalb Stunden bei ihm zu Hause: zum Essen in der Küche und zum Teetrinken im Wohnzimmer. Dabei unterhielt ich mich mit ihm und seiner Frau und war ganz gerührt davon, wie viel Zeit er sich an diesem letzten Tag für mich genommen hatte. Und dann hieß es auch Abschied nehmen von den beiden...

Tamara fuhr mich dann netterweise mit meinem Gepäck nach Jerusalem, von wo aus ich den Zug zum Flughafen nehmen konnte. Die letzten Abschiedsworte wurden gewechselt, die Kinder und Tamara noch einmal in den Arm genommen und dann saß ich auch schon im Zug. Viel schneller als gedacht waren wir nach Jerusalem gekommen, sodass ich den früheren Zug erwischte und dadurch extrem früh am Flughafen war. Dort kam ich überraschenderweise auch noch unglaublich schnell durch die Sicherheitskontrollen durch und saß deshalb fast drei Stunden am Flughafen, konnte bisschen an meinem Laptop arbeiten und mein Buch fast zu Ende lesen, bevor es für mich in den Flieger nach Berlin ging. Auf dem Flug wollte ich einfach ein bisschen meinen Gedanken nachhängen und mich ausruhen, vielleicht sogar schlafen, weil ich noch eine lange Nacht vor mir hatte.

 

Aber falsch gedacht: Ich fand mich im Flugzeug wieder und kam mir vor wie auf einem Junggesellenabschied. Die Reihen hinter mir hatte eine Gruppe von ca. 10 Männern besetzt und diese Männer unterhielten sich lautstark über die Reihen hinweg. Der Mann neben mir (er gehörte nicht dazu) kippte sich bereits das zweite Fläschchen Jack Daniels in seine 0,5 l Flasche Cola und das dritte direkt hinterher. Schneller als erwartet war die Flasche leer und das alles, bevor wir überhaupt losgeflogen waren. Insgesamt war es unglaublich laut im Flieger und ich kam mir ein bisschen vor wie im falschen Film: Passend zum Stichwort entdeckte ich eine deutsche Schauspielerin (Jessica Schwarz - mir besonders bekannt durch ihre Rolle als Frau Rose in den Wilden Hühnern) ein paar Reihen hinter mir, die auch nicht sonderlich begeistert von der Gruppe vor ihr zu sein schien. Dann ging es irgendwann endlich los und nun schaltete sich auch der Mann neben mir in das Gespräch hinter uns ein und brüllte mir dabei lautstark auf Hebräisch ins Ohr. Immerhin konnte ich nicht verstehen, was geredet wurde. Doch trotz Kopfhörern lies sich die Geräuschkulisse nur schwer ausblenden.

Irgendwann war meinem Nebensitzer das Gespräch mit der Männergruppe wohl zu viel und er wandte sich meiner Nebensitzerin und mir zu und fragte uns ein bisschen aus. Ich hatte echt gar keine Lust, mich zu unterhalten, also fand erstmal ein Gespräch auf Hebräisch über mich hinweg statt (ich bin mit Easy Jet geflogen, viel Platz hatte man also nicht).

Meinem Nebensitzer war meine eher abweisende Art aber egal, er stupste mich an - ich nahm die Kopfhörer aus dem Ohr - fragte ganz aufgeregt: "Weißt du, wer das ist?" und zeigte dabei auf meine Sitznachbarin. Ich hatte keine Ahnung, aber er erklärte es mir natürlich gerne: Die Frau, die mit uns in einer Reihe saß, war sowas wie die israelische Dr. Sommer. Sie schreibt seit 15 Jahren eine Kolumne in einer Frauenzeitschrift und beschäftigt sich darin vorrangig mit dem Thema Sex und beantwortet Leserbriefe dazu. Das fand ich schon ein bisschen lustig und so wurde das Gespräch nun auf Englsich weitergeführt, sodass ich auch teilnehmen konnte. Lautstark wurde über Sex diskutiert und mein Nebensitzer betonte immer wieder, wie wichtig es doch sei, offen darüber zu sprechen und zu schreiben. Ich fühlte mich ein kleines bisschen hilflos zwischen den beiden, aber mir blieb irgendwie nichts anderes übrig, als doch auch ein wenig mitzureden. Also warf ich meine ursprünglichen Überlegungen (chillen und schlafen) über Bord - das würde wohl nicht funktionieren. Inzwischen war der Getränkeverkauf losgegangen und mein Nebensitzer hatte sich direkt zwei Dosen Bier gesichert, die erste war schon leer. Nun fragte er mich erneut, ob ich meinen Aufenthalt in Israel genossen hätte. Dass ich nur mit einem - nicht ganz so begeistert klingenden - "joa" antwortete, schien ihn nicht zufriedenzustellen. Warum ich nur mit einem siebzigprozentigen "joa" antwortete, wollte er wissen. Da erzählte ich ihm (und meiner Nebensitzerin und wahrscheinlich auch den Leuten vor uns) also, dass ich die letzten Wochen vor allem in der Westbank verbracht hatte und berichtete von meinem Praktikum. Er war ganz begeistert (was ich wiederum nicht erwartet hätte) und - das zweite Bier war glaube ich schon leer - verkündete lautstark, dass er ja "Kommunist!" sei und ganz links wähle. Er als "Antikapitalist!" sei für eine friedliche Lösung mit zwei Staaten und würde selbst mal gerne nach Ramallah, wenn er nur dürfte.. Auch meine Nebensitzerin interessierte sich für mein Praktikum und so erzählte ich noch eine Weile und beantwortete ihre Fragen. Irgendwann beschloss Moodi (wir hatten uns inzwischen auch namentlich vorgestellt), sich mal ein wenig die Beine zu vertreten, neues Bier zu besorgen und verwickelte in diesem Zug die Männer hinter uns in eine neues Gespräch.

Ich hingegen unterhielt mich - inzwischen auf Deutsch - mit meiner Nebensitzerin. Sie lebt seit 10 Jahren in Berlin und schreibt inzwischen auch Texte zu anderen Themen, arbeitet gerade an einem Roman über eine junge israelische Frau, die nach Berlin zieht und gibt Führungen durch Berlin zur jüdischen Stadtgeschichte. Wir hatten einiges zu reden, vor allem sprachen wir übers Deutschlernen und sie erzählte mir ein bisschen von ihrer Deutschlerngeschichte. Hinter uns wurde es immer lauter und irgendwann stand Jessica Schwarz auf und bat - gegen den Lärm anschreiend - um Ruhe. Ihr Einsatz war nicht unbedingt von Erfolg gekrönt, die Diskussion der Männer ging schon nach weniger als fünf Minuten in voller Lautstärke weiter.

Ich widmete mich in der Zwischenzeit den letzten Seiten meines Buchs und konnte dadurch ganz gut über die Stimmen 'hinweglesen'.

Irgendwann kam Moodi aber wieder zurück und verwickelte mich in eine neues Gespräch, fragte mich weiter über Ramallah und über mein Leben in Deutschland aus. Nach einer Weile hatte ich keine Lust mehr, nur von mir zu erzählen und fragte ihn nach seinem Beruf und seinen Plänen für den Besuch in Deutschland. Da stellte sich heraus, dass er der Communication Manager von Greenpeace Israel ist. Ja, ihr habt schon richtig gelesen. Ich saß also zwischen der israelischen Dr. Sommer und dem israelischen Greenpeace-Communication Manager im Flugzeug, hinter mir die - kurzzeitig etwas ruhiger gewordene - Männergruppe und dahinter Jessica Schwarz. Ganz schön verrückt. Wir diskutierten nun über Umweltschutz, fridays for future und Nachhaltigkeit und Moodi betonte immer wieder, was für eine gute "Reisegruppe" wir drei doch in unserer "Dreierreihe 9 DEF" wären (er gab uns tatsächlich diesen Namen, nachdem er kurz die Platznummern gecheckt hatte). Nunja, wir unterhielten uns noch eine ganze Weile, einige Informationen über mich musste ich drei oder viermal erzählen, denn Moodi hatte inzwischen noch drei oder vier weitere Bier getrunken und konnte sich nicht so gut merken, was ich ihm kurz zuvor bereits erzählt hatte. Meine Nebensitzerin und ich vermuteten ja, dass er Flugangst hatte. Als ich ihn mal direkt danach fragte, stritt er das allerdings ab... Meine Sitznachbarn haben dann noch ihre Kontakte ausgetauscht, denn Moodi wollte für den Folgetag mit ein paar Freunden eine Stadtführung bei ihr buchen.

Nach guten fünf Stunden mit den beiden im Flugzeug fand ich mich dann im Bus zum Flughafengebäude wieder. Meine vorherige Sitznachbarin stand auch im Shuttlebus wieder neben mir und gab mir noch ihre Visitenkarte. Außerdem erzählte sie mir, was sie - unüberhörbar - aus den Gesprächen hinter uns mitgenommen hatte: Zum einen war die Männergruppe wohl auf dem Weg in ein "Freudenhaus"  in Berlin (ja, sie verwendete tatsächlich dieses Wort) und zum anderen hatten sie wohl auch politisch relativ lautstark ihre Meinung kundgetan und sich als begeisterte Netanjahu-Wähler präsentiert. Sie und Moodi hatten die Männer wohl immer mal ein bisschen herausgefordert und mit ihnen über Politik diskutiert. Schade, dass ich die Diskussionen nicht verstanden habe, wäre sicher auch noch spannend gewesen...

 

Irgendwie war ich nach diesem Flug dann doch ganz froh, in Berlin angekommen zu sein. Auch wenn mir die Kälte in Deutschland erstmal ganz schön den Atem nahm. Eine Weile später saß ich dann im Flixbus nach Leipzig und nochmal ein paar Stunden später wurde ich von meinem Bruder von der Straßenbahn abgeholt und herzlich in Empfang genommen.

 

Ja und jetzt? Jetzt bin ich wieder zurück in Deutschland. Habe meinen Praktikumsbericht abgegeben und damit finally den Germanistik-Bachelor abgeschlossen. Nach ein paar wunderschönen und erlebnisreichen Tagen in Leipzig bin ich nun schon bei meinen Eltern, um die Adventszeit dort ein bisschen zu genießen und mich ein paar Tage auszuruhen, nach dem Trubel der letzten Wochen (außerdem hat die Wetterumstellung und/oder die Klimaanlage im Flugzeug mir gleich noch eine Erkältung eingebrockt, die ich hier auskurieren kann).

Ich wünsche euch allen eine frohe Weihnachtszeit und einen guten Ruthsch ins neue Jahr! Danke fürs Lesen und bis hoffentlich ganz bald.

Herzliche Grüße von Anna

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