Mit dem Service von Ramallah nach Beit Sahour

Nachdem ich am Freitag einen ziemlich entspannten Tag in Ramallah verbracht habe, entschied ich mich am Samstag spontan dafür, nach Beit Sahour zu fahren. Dort konnte ich bei der Familie meiner Mitbewohnerin schlafen und am Sonntag wieder zurück nach Bir Zeit fahren. 

 

Je nachdem, wo man sich in und um Ramallah bewegt, konnte man in letzter Zeit den Konflikt, der in diesem Land herrscht, fast vergessen. Wenig erinnert mich im Alltag unmittelbar daran. Es sind mehr die Geschichten, die ich immer wieder erzählt bekomme, es sind die Nachrichten, die ich lese oder die Streiks an der Uni, die mich daran erinnern.

 

Am Samstagvormittag allerdings, auf dem Weg von Ramallah Richtung Beit Sahour, wurde ich mir am Stadtrand Ramallahs schlagartig und unmittelbar wieder darüber bewusst: Der Verkehr wurde immer langsamer und wir bogen auf einen Feldweg ein, ziemlich ungewöhnlich auf dieser Strecke. Ich ließ meinen Blick aus dem Fenster über die Umgebung schweifen und sah auf der Straße – die wir wahrscheinlich normalerweise hätten nehmen wollen – viele Menschen umherrennen. Ein ganz ungutes Gefühl machte sich schlagartig in mir breit und schnell versuchte ich, mehr zu erkennen und die Situation einzuschätzen.

 

Dieses ungute Gefühl und die darauffolgende Alarmbereitschaft kenne ich gut aus meinen Freiwilligenjahr, lange habe ich das nicht mehr gespürt... Ich hatte damals ziemlich schnell gelernt, dass es in Momenten wie diesen wichtig ist, sich möglichst schnell einen Überblick zu verschaffen und dann abzuwägen, wie man am besten damit umgeht. Viele rennende Menschen lassen meistens nichts Gutes vermuten. So auch dieses Mal: Bei genauerem Hinsehen erkannte ich am Straßenrand aufsteigende Rauchschwaden – mehrere kleine Feuer waren der Grund dafür. Auch die Menschen auf der Straße und auf dem danebenliegen Hügel erkannte ich besser und sah, dass sich die meisten von ihnen vermummt hatten. Oben auf dem Berg machte ich die erste Steinschleuder aus, die durch die Luft geschwungen wurde. Was ich nicht erkennen konnte, war das Ziel bzw. der Grund für das Geschehen. Auch als wir näher heran- und vorbeifuhren, konnte ich nichts sehen, was Auslöser für die Wut und die Gewalt der jungen Palästinenser und Palästinenserinnen gewesen sein könnte. 

 

Kurz darauf waren wir auch schon vorbei und setzen unsere Fahrt ganz normal fort. Natürlich verurteile ich die Gewalt, mit der die jungen Leute vorgingen zutiefst. Meiner Meinung nach kann Gewalt nie eine Lösung sein. 

 

Später fragte ich meine Mitbewohnerin nach möglichen Gründen für das kurz vorher Erlebte. Sie sagte mir, dass das sicher ein Protest gegen die aktuelle Situation in Gaza gewesen sei. Als mein Arabischlehrer mich am Abend nach meinem Tag fragte, erzählte ich ihm davon und auch er sagte: „Sicher wegen der Situation in Gaza.“ Halb im Scherz, viel mehr aber im Ernst fügte er hinzu: „Das ist Palästina.“

 

Auch Situationen wie diese gehört zum Alltag hier, nicht nur die Beschreibung schöner Erlebnisse und Fotos von Sonnenuntergängen oder gemütlichen Cafés…

Nach einer langen Fahrt kam ich am Nachmittag endlich in Beit Sahour an und wurde dort freundlich von Zeins Familie begrüßt. Ihr Mutter hatte Makloube gekocht - sehr lecker. Ich verbrachte den Nachmittag mit Zeins Familie, wir tranken Kaffee bei ihrer Oma nebenan und redeten viel. Am frühen Abend machte ich mich auf den Weg nach Bethlehem, wo ich direkt neben der Geburtskirche eine Arabischstunde hatte (mein Arabischlehrer in Ramallah kommt nämlich eigentlich aus Bethlehem). Nach einer Stunde Grammatik rauchte mir der Kopf und ich machte mich auf den Rückweg nach Beit Sahour. Weil ich zu Fuß unterwegs war, wurde ich natürlich häufig aus vorbeifahrenden Autos angehupt. Halt machte ich im Singer-Café, meinem Lieblingscafé in Beit Sahour. Dort hatte ich währen meines Freiwilligenjahres viele Stunden verbracht. Ich bestellte mir ein Getränk und arbeitete noch eine Weile am Computer, bevor ich zurück zu Zeins Familie ging. 

 

Am Sonntagmorgen waren wir alle gemeinsam in der Kirche. Dort traf ich einige bekannte Gesichter und freute mich, als ich sogar bei einem Lied mitsingen konnte, welches wir damals bei den Morgenandachten in der lutherischen Schule häufig gesungen hatten. Danach gab es noch Kaffee und Kekse für alle und die Möglichkeit, sich ein bisschen auszutauschen.

Später machten wir noch einen Besuch bei Zeins Tante, die zwei Tage zuvor ihr viertes Kind auf die Welt gebracht hatte. Die ganze Familie war dort versammelt und ich fand mich zwischen den durcheinanderplappernden Menschen auf dem Sofa wieder. Nachdem wir danach noch lange in einem Restaurant zu Mittag gegessen hatten, machte ich mich am späten Nachmittag auf den Weg zurück nach Ramallah. Auf der Fahrt merkte ich, dass ich ganz schön müde war und mir dir Familienzeit auf der einen Seite sehr gefallen hatte, sie auf der anderen Seite (nicht nur durch das viele Arabisch) aber auch ganz schön anstrengend gewesen ist. 

 

Über das Wochenende sind kalte Winde im Land angekommen, letzte Nacht habe ich richtig gefroren und war froh, noch einen extra Schlafsack (auch wenn dieser relativ dünn ist) dabei zu haben. Mit Schlafsack und Decke lies sich die Nacht dann besser aushalten, aber der eisige Wind begleitete mich auch heute den gesamten Tag über. Weil es hier in den meisten Häusern keine Heizungen gibt und die Isolation viel schlechter als in Deutschland ist, spürt man einen solchen Kälteeinbruch nochmal ganz anders... Ich werde mir jetzt so schnell wie möglich einen kleinen Heizstrahler anschaffen, um die nächsten drei Wochen noch gesund zu überstehen.

 

Das war's für heute von mir. Es gibt wieder viel für die Uni zu tun, für morgen muss ich noch eine Stunde vorbereiten und bin gerade gar nicht mal so sehr motiviert ;-)

Liebe Grüße!

Feierabend... Leider noch nicht ganz, denn auch zu Hause muss ich noch ein bisschen weiterarbeiten.
Feierabend... Leider noch nicht ganz, denn auch zu Hause muss ich noch ein bisschen weiterarbeiten.

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