"Roadtrip"

Wie schnell die Zeit vergeht.. Am Freitag wurde mir das wieder einmal ganz deutlich bewusst, als wir endlich einem großen Wunsch von Marcel nachgingen und ein Auto mieteten, um ein bisschen durch die Gegend zu fahren. Weitere freie Tage gibt es nämlich leider nicht mehr, weil Marcel schon in einer Woche zurück nach Deutschland fliegen wird. Das ist wirklich schade und mir wird bewusst, dass ich jetzt schon beinahe drei Monate hier bin, dass fast schon ein Viertel meiner Zeit hier vorbei ist.

Aber genug dieser Gedanken! Wir mieteten also ein Auto aus Bethlehem und machten uns zu viert auf den Weg, um die Gegend hier mal ein bisschen unabhängig erkunden zu können. Ein paar Stationen hatten wir uns vorher schon überlegt, die Karten allerdings nicht wirklich ausführlich studiert.

Erstes Ziel war der Herodion-Hügel. Dieser ist ganz in der Nähe von uns, östlich gelegen und man sieht in schon von Weitem aus der Ferne. Dort hatte Herodes einst ein prächtiges Bauwerk errichtet - das einzige das seinen Namen trägt. Noch heute kann man die Ruinen dieser großen Anlage betrachten und außerdem einen tollen Blick auf die Umgebung genießen - vorausgesetzt man hat gutes Wetter. Das war bei uns leider nicht ganz der Fall, aber trotzdem konnten wir ein ganzes Stück weit schauen und außerdem bei sehr angenehmen Temperaturen einen Rundgang durch die Ruinen machen.

Weiter ging es, wir wollten in Richtung Artas, doch irgendwie befanden wir uns auf einmal auf der Straße in Richtung Hebron. Diese Richtung sollte man zur Zeit eigentlich lieber nicht einschlagen... Nachdem wir an "spannenden" Flying Checkpoints, vielen Soldaten am Straßenrand, ein paar kleinen Jungs, die ihre Steinschleudern ausprobierten, einem Brand im Olivenhain und noch einigen anderen interessanten Anblicke vorbeigekommen waren, hatten selbst wir irgendwann gemerkt, dass wir auf der falschen Straße waren und drehten wieder um.

Aber den Weg nach Artas fanden wir irgendwie trotzdem nicht und fuhren durch einige Dörfer und spannende Wege, bis wir wieder in Richtung Beit Sahour zurückfuhren. Es war interessant, auch mal die Dörfer, die sich um uns herum befinden zu sehen und so nochmal mehr Einblicke in das Leben hier zu erlangen.

An einem schönen Platz – leider wie fast überall am Straßenrand voller Müll – machten wir eine kleine Rast und genossen unser mitgebrachtes Picknick. Leider fing es bald an laut zu donnern und kurz danach trafen uns die ersten Tropfen. Also zogen wir uns ins Auto zurück und fuhren nach St. Marsaba, das ist ein Klostern ganz in der Nähe. Dort verbrachten wir eine Weile, bis uns der Regen eingeholt hatte und fuhren weiter in Richtung der Berge.

Dafür nahmen wir die einzige Straße, die in Richtung Ramallah, Jericho und Totes Meer führt und fuhren die Serpentinen hinab und hinauf. In einem Ort machten wir Halt um uns ein bisschen aufzuwärmen und saßen beim typischen Schwarztee mit viel Zucker und Nana zusammen, während es draußen schüttete. Es war schon später Nachmittag geworden und jetzt stellte sich die große Frage: Wie geht es weiter? Ich wollte am Abend noch nach Jerusalem und hatte eigentlich geplant nach Bethlehem zurück und dann von dort nach Jerusalem zu fahren. Da wir ein palästinensisches Auto gemietet hatten, konnten wir damit nämlich nicht die Checkpoints überqueren, also auch nicht nach Jerusalem. Jetzt befanden wir uns aber schon auf halber Strecke Richtung Ramallah und die anderen wollten das Auto gerne noch ein bisschen länger nutzen. Also gut, von Ramallah kommt man auch nach Jerusalem, weiter nach Ramallah... dachten wir zumindest. Irgendwie befanden wir uns aber auf einmal an der Mauer und ehe wir uns es versahen zog eine ganz schön große Ladung Tränengas ins Auto. So doll hatte ich das vorher noch nicht erlebt. Meine Augen tränten, meine Nase brannte. Offenbar hatte es kurz davor an dieser Stelle ein paar Auseinandersetzungen gegeben. Nach ein paar Minuten waren wir wieder aus der Wolke raus und fanden schließlich irgendwann den richtigen Weg nach Ramallah.

Dort angekommen stellte sich dann die große Frage: Wo fahren die Busse bzw. Service nach Jerusalem ab? Wir begaben uns mal wieder auf die Suche und nachdem wir dreimal von Einheimischen in die falsche Richtung geschickt wurden, fanden wir endlich die Servicestation. Ich verabschiedete mich also von den anderen und stieg in das Sammeltaxi, welches mich zum Checkpoint brachte. Diesen musste ich zu Fuß überqueren, so ganz allein und bei Dunkelheit war das schon ein bisschen komisch. Vor allem als ein Palästinenser vor mir nicht hinüber gelassen wurde und ich deswegen ewig zwischen den eisernen Drehtoren warten musste. Ich - mit meinem roten Reisepass - kam dann aber locker rüber und konnte auf der anderen Seite den Bus nach Jerusalem nehmen.


In Jerusalem war ich beim Geburtstag von zwei Freundinnen eingeladen, die dort Volontärinnen sind. Zum Glück fand ich das Restaurant, indem alle schon beisammen saßen ziemlich schnell und verbrachte noch einen tollen Abend bei gutem Essen und schönen Gesprächen mit den anderen Gästen. Am Ende saßen nur noch wir Volos zusammen und diskutierten mal wieder die verschiedenen Schattierungen des Konflikts, des Lebens hier und wie wir das mit unseren Bekannten und der Öffentlichkeit teilen. Es wurde ganz schön spät und irgendwann brachen wir auf in Richtung Erlöserkirche, durch die nächtliche Altstadt. Man fühlte sich gut bewacht, denn an fast jeder Straßenecke standen Soldaten. Müde fiel ich in das Bett, was die „Erlöser-Volos“ mir freundlicherweise zur Verfügung gestellt hatten.


Nach einer kurzen Nacht machte ich mich in der Frühe auf den Weg zur Bushaltestelle, fuhr zurück an den Checkpoint, ging dort durch nach Bethlehem und von dort mit dem Taxi nach Beit Sahour, um pünktlich um 07.30 Uhr in der Schule zu sein.


Der Freitag war wieder einmal voller Erlebnisse, ich glaube das ist ganz gut rübergekommen. Auch wenn wir nicht so einen richtigen Plan hatten, war es sehr schön mal unabhängig unterwegs sein zu können, einfach mal drauf los zu fahren und so nochmal ganz andere Seiten des Landes kennen zu lernen. Ich hoffe, dass ich euch auch ein paar andere Einblicke in dieses besondere und so vielschichtige Land geben konnte und grüße euch herzlich.

 

PS: Durch den Regen wird hier auf einmal alles grün, das ist ganz ungewohnt und eine schöne Abwechslung zu dem ständigen braun.

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