Olivenernte und Sicherheitslage

Endlich melde ich mich mal wieder zurück...

 

Die letzten Tage waren so ausgefüllt von der Olivenernte, dass ich irgendwie nicht zum Schreiben gekommen bin.

Jeden Morgen fahren wir in Talitha gegen 07.00 Uhr los nach Jerusalem auf den Ölberg - vorausgesetzt der Bus ist pünktlich. Dort arbeiten wir dann den ganzen Tag auf dem Olivenhain und pflücken die Oliven ganz traditionell. Genaueres dazu werdet ihr in einem anderen Blogeintrag nochmal erfahren und sehen können.

Am späten Nachmittag kommen wir dann wieder zurück in die WG und das Beste ist eindeutig die Dusche :D Nachdem man den ganzen Tag gearbeitet hat und staubig, dreckig und verschwitzt ist (ja hier hat es immer noch um die 30°C), ist das ein wahrer Segen.

Danach sitzen wir oft noch zusammen, sind aber oft ziemlich erledigt. Trotzdem haben wir in den letzten Tagen einiges unternommen. Am Sonntag, unserem einzigen freien Tag erstmal Ausschlafen, Frühstück und Film im Bett, danach Bummeltour durch Westjerusalem. Am Montag nach der Ernte Volleyball und gestern eine Einladung zum Essen bei der Familie eines Freundes, die für uns alle gekocht hatte, die letzten Tage waren gut gefüllt. Ich genieße die Zeit in der schönen Gemeinschaft hier gerade sehr und bin glücklich, mit den anderen Volos so eine noch engere Beziehung aufbauen zu können. Außerdem ist es gut in diesen Zeiten nicht allein zu sein, wie ich bereits erwähnt hatte.

 

Die "Sicherheitslage" sieht folgendermaßen aus: Wir leben in dem wohl sichersten Gelände in der südlichen Westbank und sind hier rund um die Uhr von Sicherheitsleuten am Tor, Kameras und einem Zaun um das Gelände bewacht. Uns kann also eigentlich gar nichts passieren. Auch den Weg nach Jerusalem legen wir immer in einem privaten Kleinbus zurück und wenn die Lage sich verschärft oder unsicher ist, wird die Ernte abgesagt und wir bleiben auf dem Gelände von Talitha Kumi.

 

Von vielen wurde ich gefragt, ob ich Angst hätte? Um mich habe ich keine Angst, nein. 

Ich habe allerdings Angst um die Menschen hier, um das Land und davor, was die Zukunft bringen wird. Es beunruhigt mich zu hören, was geschieht und dass niemand so richtig weiß, wie es weitergehen wird oder was zu erwarten ist. Mit jedem weiteren Morgen, an dem wir nach Jerusalem fahren, kommen mehr und mehr neue "Flying Checkpoints" dazu, immer mehr Straßen werden durch Soldaten kontrolliert. Es soll wieder eine neue Art Mauer gebaut werden, in Jerusalem. Ich kann natürlich verstehen, dass Israel jetzt stärkere Sicherheitsvorkehrungen trifft, was wir aber hauptsächlig mitbekommen sind ständige Staus und Kontrollen, bei denen man irgendwie dann doch nur durchgewunken wird. Die Altstadt von Jerusalem ist gespenstisch leer, sonst kommt man dort vor lauter Menschen manchmal gar nicht durch. Heute sieht man überall Soldaten, schwerst bewaffnet und gefühlt an jeder Straßenecke.

 

Außerdem lese ich dann Sowas in den Nachrichten wie heute: "Israels Premier behauptet, ein Palästinenser habe Hitler zum Holocaust angestiftet." (Süddeutsche Zeitung).

Wie bitte???! Darüber ärgere ich mich sehr..

 

Ich kann nur von meinen persönlichen Erlebnissen und Eindrücken berichten und auch damit möchte ich mich eigentlich eher zurückhalten. Ich möchte aber auf jeden Fall keine Wertung abgeben und jeden auffordern, sich selbst eine Meinung zu bilden und sich zu informieren. Für mich wird es immer schwerer den Überblick zu behalten und natürlich solidarisiere ich mich gerade mit den Menschen, mit denen ich jeden Tag zu tun habe, mit meinen Kollegen, Nachbarn und Freunden. All diese Menschen wollen eigentlich nur, dass dieser ständige Konflikt aufhört und in Ruhe und Frieden leben.

Es fällt mir schon auch irgendwie schwer mit der Situation umzugehen und diese nach Deutschland zu kommunizieren. Ich hoffe, ihr versteht das. Manchmal schient alles ein wenig unwirklich, ich sitze in der WG auf dem Sofa oder ernte auf dem Ölberg Oliven (schon allein das ist so unwirklich und soooo besonders) und in meiner unmittelbaren Nähe geschehen so viele schlimme Dinge. Dinge mit denen ich zuvor noch nie in der Weise konfrontiert war.

 

Zum Glück werden wir gut betreut und beraten und auch wir Freiwilligen können uns gut auffangen, ablenken und austauschen.

 

Ich grüße euch alle herzlich!
Eure Anna

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Kommentare: 1
  • #1

    Regine (Montag, 02 November 2015 22:20)

    Liebe Anna, ich freue mich, dass es dir gut zu gehen scheint - es ist von hier nicht leicht, die Situation dort einzuschätzen und daher gut und wichtig, von dir berichtet zu bekommen, wenn auch verständlicherweise sehr zurückhaltend. Ich wünschte, die Lage würde sich bald wieder beruhigen! Pass auf dich/passt auf euch auf, und habt weiterhin so viele positive und schöne Eindrücke und Erlebnisse!
    Alles Liebe, Regine.